IDR-Positionspapier zur Standardisierung und Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung in Deutschland

20.08.2024

Wir geben der öffentlichen Finanzkontrolle eine Stimme

Das Institut der Rechnungsprüfer e.V. und Rechnungsprüferinnen in Deutschland e.V. (IDR) ist der professionelle Berufsverband für die Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Einrichtungen der öffentlichen Finanzkontrolle auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie den damit verbundenen öffentlichen Körperschaften. Mit unseren vielfältigen Aktivitäten tragen wir zu einer modernen, zielorientierten und qualitativ hochwertigen Finanzkontrolle, als notwendiger Bestandteil der Recht- und Ordnungsmäßigkeit der öffentlichen Verwaltung, bei. Mit diesem Positionspapier will das IDR ein klares Signal zur Notwendigkeit der Modernisierung der öffentlichen Rechnungslegung setzen.

Die Notwendigkeit von Reformen

Das IDR sieht eine dringende Notwendigkeit für fundamentale Reformen im öffentlichen Rechnungswesen. Ein zentraler Punkt ist die Standardisierung und Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung, die über alle Ebenen, d.h. die kommunale, Länder- und Bundesebene, bis hin zur Rechnungslegung auf Europäischer Ebene reichen muss. Ziel ist es, eine kohärente, verständliche und vergleichbare Rechnungslegung und Finanzberichterstattung für den kompletten öffentlichen Sektor zu gewährleisten.

Herausforderungen im föderalen System

Das föderale System Deutschlands ist durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Haushalts- und Rechnungslegungssystemen geprägt. Das Nebeneinander von kameraler und doppischer Buchführung erschwert eine adäquate Beurteilung der finanziellen Lage der öffentlichen Körperschaften und untergräbt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die öffentliche Haushaltsführung. Darüber hinaus wird die sparsame, zweckmäßige und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel gefährdet.

Die in den Bundesländern in den letzten Jahren unterschiedlich umgesetzten Neuen kommunalen Steuerungsmodelle stellen konzeptionell auf eine vollständige und transparente Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie eine ergebnis- und wirkungsorientierte Steuerung mit dem Ziel der intergenerativen Gerechtigkeit ab. Damit einhergehend wurden die Regeln der ehemals kameralen Haushaltswirtschaft in Richtung kaufmännische Rechnungslegung in Anlehnung an die Regelungen des Handelsgesetzbuchs (§§ 239 ff. HGB) weiterentwickelt. Damit wurde ein neuer Standard für die (kommunale) Haushaltsführung geschaffen, der inzwischen auch in allen 16 Bundesländern eingeführt ist bzw. sich in Umsetzung befindet. Auf Bundesebene Positionspapier des Instituts der Rechnungsprüfer und Rechnungsprüferinnen in Deutschland e.V. zur Standardisierung und Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung in Deutschland regelt das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), dass die Haushaltswirtschaft in ihrem Rechnungswesen im Rahmen der HGrG-Vorschriften kameral oder nach den Grundsätzen der staatlichen doppelten Buchführung nach § 7a (staatliche Doppik) gestaltet werden kann. Tatsächlich entspricht die bis heute geübte Haushaltsplanung und -bewirtschaftung des Bundes nicht vollständig dem kaufmännischen Rechnungswesen. Damit fehlen wesentliche, für die zielorientierte effektive und effiziente Steuerung notwendige Finanzinformationen.

Bei der Umsetzung der doppischen Rechnungslegung auf Landesebene sind vielfältige divergente Praktiken, insbesondere bei der bilanziellen Behandlung von Pensionsrückstellungen und Sondereffekten wie Corona- und Ukrainehilfen, die zu eingeschränkter Transparenz und Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen führen, zu kritisieren. Unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern, wie der Plan Brandenburgs, Pensionsrückstellungen nicht mehr zu bilanzieren, erschweren bundesweit einheitliche Aussagen zur ökonomischen Position der öffentlichen Hand.

Ein weiterer Punkt ist, dass viele Kommunen bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse teils einen erheblichen zeitlichen Rückstand aufweisen. In nicht wenigen Fällen fehlen Jahresabschlüsse für die letzten drei bis fünf Jahre. Damit ist eine Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der öffentlichen Haushaltsführung nicht möglich und die Haushaltsplanung steht vollständig im luftleeren Raum. Ergebnis ist eine nicht ordnungsgemäße Verwaltungsführung, die jedoch weitgehend ohne Sanktionen durch die zuständigen Behörden bleibt. Diesen Zustand könnte man auch als kollektives Versagen der politisch Verantwortlichen und der Kommunalaufsichtsbehörden beschreiben.

Flächendeckende Einführung der Doppik

Das IDR tritt mit Nachdruck für die flächendeckende Einführung einer doppischen Buchführung über alle Bundesländer und den Bund nach einheitlichen Vorgaben und Regelungen ein. Dies ermöglicht eine Gesamtschau der Vermögenswerte und Schulden, die für eine nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik erforderlich ist. Dabei sollten die Bundesländer zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung zurückkehren und die in den letzten Jahren vorgenommenen Abweichungen vom Handelsgesetzbuch (HGB) korrigieren. Interessanterweise sieht das Haushaltsgrundsätzegesetz in §49a die Einrichtung eines gemeinsamen Gremiums von Bund und Ländern zur Gewährleistung einer einheitlichen Verfahrens- und Datengrundlage jeweils für Kameralistik, Doppik und Produkthaushalte vor. Aufgabe des Gremiums ist, Standards für kamerale und doppische Haushalte sowie für Produkthaushalte zu erarbeiten. Positionspapier des Instituts der Rechnungsprüfer und Rechnungsprüferinnen in Deutschland e.V. zur Standardisierung und Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung in Deutschland

Forderung nach bundeseinheitlichen Rechnungslegungsstandards

Das IDR unterstützt vollumfänglich die Einführung bundeseinheitlicher Standards zur Erreichung hochwertiger, vergleichbarer und verständlicher finanzieller Informationen auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung. Eine solche Implementierung wäre ein wesentlicher Schritt zu einer einheitlichen und transparenten Rechnungslegung in Deutschland.

Forderung nach konsequenter einheitlicher Digitalisierung

Ebenso fordert das IDR die konsequente einheitliche Digitalisierung aller Finanzmanagement-Prozesse über alle drei Ebenen (Bund, Länder, Kommunen). Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der in der öffentlichen Finanzwirtschaft eingesetzten Systeme und Programme macht eine effiziente und effektive Planung, Steuerung und Kontrolle der öffentlichen Finanzen nahezu unmöglich. Die bisherige uneinheitliche Handhabung bindet zudem enorme personelle und finanzielle Ressourcen und verschwendet unnötig Steuermittel.

Aufruf zur Handlung und Zusammenarbeit

Das IDR fordert die politischen Entscheidungsträger auf allen staatlichen Ebenen auf, die bestehenden Strukturen zu ändern und die erforderlichen Schritte für eine nachhaltige Transformation des öffentlichen Rechnungswesens umzusetzen. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Ressourcen zur Schulung der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Einsatz von digitalen Lösungen zur effizienten Umsetzung des Doppik-Systems.

Dieses Positionspapier versteht sich als Weckruf und Handlungsaufforderung. Das Instituts der Rechnungsprüfer und Rechnungsprüferinnen e.V. ist bereit an der Konzipierung und Implementierung dieser richtungweisenden Änderungen mitzuwirken, um die Qualität und Verlässlichkeit der öffentlichen Finanzwirtschaft nachhaltig zu verbessern.

Der Vorstand des IDR im August 2024

Hier finden Sie das Positionspapier zum Download